Entstehung des Gedankens und Prämissen für die Ausführung

Pferde vor Pflügen, Pferde vor Leiterwagen, gebückte Landfrauen mit der Hacke auf dem Feld, brach liegende Felder mit der gelben Blütenpracht des Löwenzahns, unberührte Berglandschaften, diese Bilder leibhaftig  zu erleben, das war eine Sehnsucht der Autoren. Lebensszenen der eigenen Vergangenheit aufleben zu lassen, Menschen anderer Kulturkreise zu begegnen, Gespräche mit ihnen zu führen; diesen Sehnsüchten wünschten Horst Wiese und Hubert Praxl nachzugehen.

Die Neugier, wie nehmen sie die  fremden, zum Teil aber von der Jugendzeit her doch bekannten Lebensweisen an, wie werden sie die Gespräche ohne die Kenntnis der Sprachen  führen und genießen, und die Neugier, wie es ist zu leben mit dem Gefühl, morgens beim Zähneputzen oder beim Frühstück nicht zu wissen, wo sie bei anstrengender Wanderung ihre Nahrung findeMahlzeitn und wo sie am Abend ruhen und in welchem Bett, in welchem Stroh oder hinter welchem Gebüsch sie die Nacht verbringen werden, galt es zu befriedigen. Eine Flasche Wein war schuld. Sie öffneten diese nach erfolgreich erledigtem Tagesgeschäft und lehnten sich wohlig in die Lehnen der Stirb-und-werde-Sitzmöbel des Büros zurück. Sie palaverten über vieles, und nach der Entleerung des dritten, vierten oder auch fünften Glases, wer weiß es so genau, sprachen sie über die Fremde.

Der Mut nahm von ihnen Besitz. Sie versicherten sich gegenseitig, die in ihnen lagernden Sehnsüchte gemeinsam erfüllen zu wollen. Und dieses Versprechen geschah unter Männern, und somit gab es kein Zurück.

Diese Erfüllung wurde vollzogen bei mühevollen Wanderungen in Ländern des östlichen Europas, des vorderen Orients und Zentralasiens. Sie wurde erreicht bei der tagelangen Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn, die sie in ihren schaukelnden, stampfenden und karg ausgerüsteten Waggons von Moskau nach Wladiwostok brachte.
Trotz der Blasen an ihren Füßen in den schweren Wanderschuhen, der Schwere der prall gefüllten Rucksäcke und der Enge eines russischen Eisenbahnwaggons, empfingen sie durch die Begegnung mit den Landschaften und den hierin lebenden Menschen ein außergewöhnliches Wohlgefallen.

Das zu bereisende Land suchten sie aus nach den unterschiedlichsten Kriterien: Reiseberichte in Buch und Fernsehen, schnöder Blick auf die Landkarte. Allerdings, eine Reise in die Vergangenheit der Reisen mit dem BusZivilisation sollte es sein. Und so sind ausnahmslos Länder in Osteuropa und Asien Ziele geworden.
Das Zielland war bestimmt. Ein preisgünstiges Verkehrsmittel dorthin wurde ausgewählt: Auto, Eisenbahn, Flugzeug. Und dann einfach dahin und vor Ort den Weg der Route festgelegt. Sie spürten nicht den Zwang, die in Reiseführern genannten Sehenswürdigkeiten abhaken zu müssen; sehenswert waren die Menschen und ihr etwas anderes Leben. Sie übten die jeweilige Landessprache, jedoch mit geringem Erfolg. Sie meisterten die Gemeinplätze „Danke, Bitte, Guten Tag und Auf Wiedersehen“, das war’s dann aber auch; bevor die Gespräche Fahrt gewinnen konnten, waren sie auch schon beendet. Sie bedauerten, dass sie sich mit ihren ausländischen Gesprächspartnern kaum über Gefühle, politisches Verständnis, Geschichte oder Natur austauschen konnten. Und dennoch: Die Unkenntnis der Sprache war ebenso eine Herausforderung.

Der WegSie waren stolz, durch Einsatz von Gebärden, Wörterbuch und Skizzenblock die gewünschten Ergebnisse erzielt zu haben: Eine Schlafstelle für die Nacht, die Richtung zum Zielort ihres geplanten Weges, das geeignete Verkehrsmittel oder der Kauf von wohlschmeckenden Speisen. Ihr Gehirn war ausgelastet mit vielen Aufgaben; belastende Gedanken an in der Heimat zurückgelassene Unannehmlichkeiten und schwer lösbare Arbeiten, die bei Langweilerurlaub an Swimmingpools bearbeitet werden, fanden in ihren Hirnwicklungen keinen freien Platz. Sie gewannen Entspannung und Erholung.

Sie waren interessiert am Leben in der Gegenwart; was sich ereignete in der frühen Vergangenheit war ihnen weniger bedeutsam. Sie waren unterwegs ohne den Zwang, in einem Reiseführer genannte Sehenswürdigkeiten abhaken zu müssen. Auch als Vielgereiste fuhren sie nur bis zur Grenze unseres Horizonts.

Bevor sie ein fremdes Land betraten, fragten sie, was dort verboten war.

Sie reisten, und sie stellten nie die Frage: “Wann sind wir denn nun endlich da?“ Sie waren immer „da“. Sie waren „da“, wenn sie im Auto fuhren, sie waren „da“, wenn sie auf dem Flugplatz auf den Abflug warteten; sie waren „da“, wenn sie im Flugzeug saßen; sie waren „da“, wenn sie sich verlaufen hatten; sie waren „da“, wenn sie ungemütliche Situationen zu bestehen hatten. Ihr Ziel war immer der Weg; und sie waren allzeit auf dem Weg.

Sie wanderten mit Ruhe. Sie sprachen nur dann, wenn deutlich war, dass beide sprechen wollten, zu einem Thema, das beiden gefiel. Sie stellten nicht die Frage: „Woran denkst Du?“, wenn einer seinen Gedanken nachging. Sie billigten, wenn einer das Alle-könnte-ich-umbringen-Gefühl hatte; sie warteten gegenseitig, bis der Anfall vorüber war.

Die EngelSie wurden reich beschenkt mit diesen in diesen Reiseberichten dargestellten abschlägigen und zusagenden Erlebnissen - es ist kein Reiseführer mit der Beschreibung von Sehenswürdigkeiten, sondern eine Beschreibung des Alltags in den Ländern, so wie sie diesen erlebt hatten. Menschlich gesehen ist es wichtiger die Fidel zu spielen - und sei es noch so schlecht -, als gelernte Werke über tiefgründige Themen zu berichten.
 
An ihren Wegen standen einige Engel. Manche stehen auch im Buch. Vor ihnen verneigen sie sich für die Hilfe jeder geschehenen Art.

Sie bedauerten die untergeordnete Rolle des Umweltschutzes in den besuchten Ländern, das fehlende Bewusstsein der Menschen für die Pflege ihrer Heimat. Bezaubernde Landstriche waren besudelt mit Schrott, mit neuzeitlichem Plastikmüll. Nicht allein die politische Veränderung, sondern mehr die Gesinnung der Menschen trug die Schuld hieran.

Sie waren zögerlich gegenüber Gastgebern und Straßenbekanntschaften mit der Herausgabe unserer Heimatanschrift; sehr oft erkannten sie den Wunsch nach Hilfe bei der Beschaffung von Visa und Arbeit oder nach kostenlosem Aufenthalt in Deutschland.

Sie kamen gern zurück in ihr Heimatland Deutschland. Sie freuten sich auf die Ordnung, die Zuverlässigkeit der öffentlichen Einrichtungen und auf die Sauberkeit der Dörfer, der Städte und die diese umgebende Landschaft. Sie lernten zu schätzen, was sie oft infolge Gewohnheit, infolge Sättigung schmähten.

Sie sagen nicht, dass sie furchtlos sind, aber sie hatten keine Angst unterwegs



Neugier, Mut & Wohlgefallen, Band I
Band I
Neugier, Mut & Wohlgefallen, Band II
Band II
Neugier, Mut & Wohlgefallen, Band III
Band III
 Neugier, Mut & Wohlgefallen, Band IV
Band IV
Wanderung durch die Krummhörn
Wanderung durch die Krummhörn
 

 

 

 


 

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